Montag, 9. Mai 2016

Gericht weicht Handyverbot am Steuer auf

"Das strenge Handyverbot am Steuer gerät ins Straucheln – dank der Genderisierung der Gesetzesprache." Mit diesen Worten beginnt der Autor des law blogs einen Artikel, in dem anhand eines Beispiels aus der Praxis die "Vorzüge" der Genderisierung geschildert werden. So weit, so gut.
Beredsamkeit, die nicht mit der Logik übereinstimmt, Wahrhaftigkeit, die nicht mit der Vernunft übereinstimmt, Mut, der nicht mit der Gerechtigkeit übereinstimmt, Gesetzlichkeit, die nicht mit der sinngemäßen Anwendung übereinstimmt, sind wie ein irrender Wanderer auf schnellem Rosse oder wie ein Wahnsinniger, der ein scharfes Schwert schwingt. 
Lü Buwei (ca. 300 v.Chr. - ca. 235 v.Chr.)
Ich gehe jedoch einen Schritt weiter. Inwieweit wird die juristische Wortklauberei noch dem Sinn des Gesetzes gerecht? Schließlich sollte uns das Gesetz vor entsprechender Gefährdung eigentlich schützen. Was jedoch dabei herausgekommen ist, ist der Schutz eines Gefährders. Somit ist nicht im Sinne des Gesetzes entschieden worden, sondern allenfalls im Interesse des Frevlers und einer politisch gelenkten Industrie, die sich vom Jahrmarkt der Paragraphen ernährt und sich an der justiziellen Kaffeesatzdeuterei fett und fetter frisst.
"Die Justiz«, sagte Oberstaatsanwalt Dr. F. und zündete grandios die Zigarre an, die ihm der Kellner ohne Bestellung gereicht hatte, »ist ein gut funktionierender Verwaltungs- und Richterversorgungsapparat, der mit der Gerechtigkeit ungefähr soviel zu tun hat wie die Landeskirchenverwaltung mit dem lieben Gott
Herbert Rosendorfer: Ballmanns Leiden oder Lehrbuch für Konkursrecht
Die Richter interessierten sich nicht für die eindeutig vorliegende Gefährdung. Ihnen interessierte lediglich, ob die unbestrittene Gefährdung auch voll und ganz dem Wortlaut des Paragraphen entspricht. Anders ausgedrückt ging es ihnen nicht um den Inhalt, sondern lediglich um die Packungsbeilage. Das ist der größte Schwachpunkt der bundesdeutschen Justiz, der sich immer wieder offenbart, wenn der Schwerpunkt auf den Sinn der Gesetze nicht entsprechender pseudogerechter Richterei bzw. Paragraphenreiterei und nicht etwa auf die Wahrung und Schaffung einer gemeinschaftstauglichen und den Realitäten verpflichteten Rechtsordnung, respektive auf Gerechtigkeit gelegt wird. Wer "Im Namen des Volkes" Urteile fällt, sollte zuvorderst im Interesse dieser Gemeinschaft urteilen.
Gerechtigkeit gibt jedem das Seine, maßt sich nichts Fremdes an und setzt den eigenen Vorteil zurück, wo es gilt, das Wohl des Ganzen zu wahren.
Ambrosius von Mailand
Denken wir einfach nur etwas weiter. Der geneigte Leser wurde das Opfer eines Autofahrers, der sich genauso wie der Mann im Gerichtsurteil verhalten hat. Nur mit dem Unterschied, dass dadurch ein Unfall geschehen ist und sie, werter Leser, für immer an den Rollstuhl gefesselt sein werden. Wenn dann vor Gericht die Frage nach der Schuldzumessung geklärt werden müsste, die dann auch maßgeblich für ihren Anspruch auf Schmerzensgeld sein dürfte bzw. darüber, ob überhaupt einer besteht; was würden sie dann denken, wenn die Richter - auch in ihrem Namen! - ihren Anspruch mit folgender Begründung abschmettern würden:
Das Telefon musste da­mit vor­lie­gend für den Kommunikationsvorgang nicht ge­hal­ten wer­den.*
Das Halten des Geräts be­grün­det des­halb über den Telefonvorgang hin­aus kein re­le­van­tes ei­gen­stän­di­ges Gefährdungspotential.
* Richtig, doch warum hat er es dann gehalten? Darum geht es doch letztendlich!
Jedem das Seine geben: Das wäre die Gerechtigkeit wollen und das Chaos erreichen.
Friedrich Nietzsche

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