Samstag, 28. Juni 2014

Was geht uns unser Leben an, solange es im TV einen Dauerkarneval gibt?

Der folgende Brief soll von Fritz Schulze und aus dem Jahre 1933 stammen. Schulz war ein Altkommunist, der in der Weimarer Republik und später auch im Dritten Reich wegen seiner Beteiligungen an Aufständen zum Tode verurteilt und 1935 hingerichtet wurde.
Die Echtheit der Zeilen Schulzes kann nicht garantiert werden, entstammen sie lediglich den Erinnerungen seiner Tochter, die wiederum 1959 vom Institut für Marxismus und Leninismus beim ZK der SED, einer reinen Propagandaschmiede, veröffentlicht wurden. Die Biographien und Aussagen von sog. Widerstandskämpfern wurden bekanntlich oftmals nachträglich frisiert und der Nachkriegsära ideologisch angepasst.
Betrachtet man den Zustand der Medien im allgemeinen und die Berichterstattung zur Fußball-WM insbesondere, dann haben diese Zeilen nichts an ihrer Aktualität eingebüßt.
Liebe Frau!                                      30.August 1933
Post keine erhalten! Habe jetzt versucht, eine andere Zeitung zu bestellen, das "Fremdenblatt"* zu lesen lohnt sich wirklich nicht mehr. Der Inhalt besteht größtenteils aus einer lächerlichen Sportfatzkerei. (Du weißt, daß ich die Bedeutung des Sportes kenne und zu würdigen weiß.) Hier benutzt man aber den Sport gewissermaßen wie das rote Tuch beim Stierkampf. Man schreibt in allen Tonarten darüber, man beschäftigt die Bevölkerung damit, gerade als ob es nichts Wichtigeres gäbe, was man der Bevölkerung mitzuteilen hätte. Natürlich gibt es auch andere Artikel, z.B. über wirtschaftliche Ereignisse, die sind jedoch so erbärmlich, daß man sie besser ungelesen läßt... Jeder Artikel beweist das Gegenteil von dem, was die Überschrift sagt! Vielleicht weil er zu kurz und oberflächlich ist. Darum halte ich die Ablenkung der Bevölkerung durch übertriebene Berichte über sportliche Vorgänge für ein Verbrechen. Die Zeit, in der wir leben, ist sehr ernst und erfordert sehr ernste Maßnahmen im Interesse der Nation. Es müßte natürlich Hauptaufgabe der Presse sein, die Maßnahmen mitzuteilen und zu erklären. Das macht das "Fremdenblatt" in keiner Form...
* "Hamburger Fremdenblatt" - jahrzehntelang die führende Zeitung der Hamburger Großbourgeoisie. Die Red.
So, und nun laßt euch vom medialen Dauerkarneval weiter ablenken. Eure Leben und das eurer Kinder gestalten dann andere. Nämlich diejenigen, denen ihr bei klarem Verstand noch nicht einmal den Dreck unter den Fingernägeln anvertrauen würdet.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen