Dienstag, 3. Januar 2012

Slowakischer Ex- Parlamentspräsident äußert sich zum Euro- Rettungsschirm

Dauerhafter Rettungsschirm ESM - dauerhafte Geldveruntreuung
von Richard Sulik (bis Oktober 2011 Parlamentspräsident der Slowakei)

Nachdem die Politiker in ihrem Bestreben den Finanzmärkten zu „gefallen“, dem befristeten EU-Rettungsschirm (EFSF) zugestimmt haben, kommt der dauerhafte Rettungsschirm immer näher (nachstehend ESM genannt). Sein Wesen ist genauso sinnlos, die Ausführung jedoch viel schlimmer. Für diejenigen, die keine Lust haben, den gesamten Vertrag zu lesen, habe ich hier die wichtigsten Punkte zusammengefasst:
ESM-Zweck und Anwendung der ESM-Mittel
Gleich die einleitende Behauptung, dass die Staaten der Eurozone den dauerhaften Rettungsschirm einrichten, um „die Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets zu wahren", ist ein Witz. Durch den Versuch die Schuldenkrise mit neuen Schulden zu bewältigen, wird die Krise nur noch verschärft und die Stablität noch mehr bedroht.
Damit ein defizitär wirtschaftender Staat Hilfe vom ESM erhalten kann, reicht es (anstatt, dass er endlich aufhört, neue Schulden zu machen, wenn „.. dessen regulärer Zugang zur Finanzierung über den Markt beeinträchtigt ist " (Punkt 11 der Einleitungsbestimmungen). Es steht da zwar, dass „Finanzhilfe unter strikten wirtschaftspolitischen Auflagen bereitzustellen ist " (Art. 3 und 12/1), aber am Beispiel von Griechenland sehen wir, wie die „strikten Auflagen" in der Praxis eingehalten werden. Die Griechen erfüllen ihre Ziele nicht und Geld bekommen sie trotzdem. Es genügt, „eine eingehende Prüfung der Tragbarkeit der Staatsverschuldung vorzunehmen " (Art. 13/1b), Papier verträgt doch alles. Dann wird es möglich sein, auch Staatsanleihen am Primärmarkt anzukaufen (Art. 15/1), was ursprünglich überhaupt nicht erlaubt sein sollte. Ursprünglich sollte es nicht einmal einen dauerhaften Rettungsschirm geben.
Beteiligung Deutschlands und Beteiligung des Privatsektors
Das Grundkapital beträgt 700 Mrd. Euro, wovon 80 Mrd. Euro bar im Laufe von fünf Jahren zurückzuzahlen sind (Art. 8/2 und 36/1). Der Beitrag der Deutschen beläuft sich auf 190,025 Mrd. Euro, davon 21,7 Mrd. Euro bar (Anhang 2). Deutschland „verpflichtet sich unwiderruflich und bedingungslos, den Beitrag zu leisten" (Art. 8/4). Was auch immer geschehen mag, die nächsten 5 Jahre wird Deutschland mindestens 4,34 Mrd. Euro jährlich zahlen (wirklich zahlen, nicht nur Garantien stellen).
Es kann aber auch viel mehr werden, weil der Gouverneursrat „jederzeit noch ausstehende Einlagen auf das Grundkapital abrufen und eine angemessene Frist für deren Zahlung setzen " (Art. 9/1) kann. Der Gouverneursrat besteht aus Finanzministern der Länder der Eurozone und wenn diese ein gegenseitiges Einvernehmen herstellen (Art. 5/6b), dann werden die Deutschen bar bis 190,024 Mrd. Euro bezahlen müssen. Nur vollständigkeitshalber, „gegenseitiges Einvernehmen" bedeutet die Zustimmung von allen. Das wird allerdings nichts nützen, weil wir in der Zwischenzeit genau wissen, wie die Zustimmung erzwungen wird. Nach den jüngsten Beschlüssen werden auch 85 % der Stimmen reichen, falls die EU-Kommision und EZB solcher Meinung sind.
Das ist noch nicht alles. Das Direktorium (Art. 6), das aus keinen Ministern besteht, sondern nur aus den durch die Minister bestellten Beamten, „kann durch mit einfacher Mehrheit zu verabschiedenden Beschluss ausstehende Einlagen auf das Grundkapital abrufen" (Art. 9/2) über den Rahmen der Barzahlung hinaus im Fall von Zahlungsausfällen. Die einfache Mehrheit bedeutet 50 Prozent und so viel haben zum Beispiel Frankreich, Italien und Spanien zusammen. Wenn also der ESM Staatsanleihen von diesen drei Ländern kauft und Verlust macht, werden die Vertreter dieser drei Länder alle anderen Ländern auffordern, noch mehr Geld zu schicken. Nicht Garantien, sondern Geld, das die Zahler sich leihen werden müssen.
Es ist allerdings noch schlimmer. Sollte es dazu kommen, dass der „ESM selbst in Verzug bezüglich einer beliebigen regelmäßigen oder sonstigen Zahlungsverpflichtung gerät ... ruft der Geschäftsführende Direktor ausstehende Einlagen auf das Grundkapital ab " (Art. 9/3). Die ESM-Mitglieder „sagen unwiderruflich und bedingungslos zu, bei Anforderung jeglichem ... an sie gerichteten Kapitalabruf binnen sieben Tagen nachzukommen" (auch Art. 9/3). Wer jetzt glaubt, dass ein Geschäftsführender Direktor, der diese riesige Kompetenz missbrauchen wird, abberufen wird, der irrt gewaltig. Der Generaldirektor wird für 5 Jahre bestellt und zu seiner Abberufung benötigt man 80 Prozent (Art. 5/7e und 7/2). Es reicht daher, wenn die Franzosen NEIN sagen und es ist aus mit der Abberufung. Übrigens, binnen 7 Tagen einfach so einen solchen beträchtlichen Geldbetrag auf den Finanzmärkten aufzutreiben, das dürfte gar nicht so einfach sein.
Es sollte allerdings niemand glauben, dass Deutschland sich mit dem Betrag von 190,024 Milliarden Euro freigekauft hat. Der Gouverneursrat kann das Grundkapital von den aktuellen 700 Mrd. Euro unbegrenzt anheben und dadurch wird auch der Beitrag Deutschlands unbegrenzt steigen (Art. 10/1). Es ist allerdings anzuführen, dass auf dieser einzigen Stelle des gesamten Vertrags der ESM großzügig ist und mit Verabschiedung durch die Nationalparlamente rechnet (auch Art. 10/1).
Soviel zum Anteil der Staaten. Der Anteil des Privatkapitals wird im gesamten Vertrag nur ein einziges Mal erwähnt. Wenn Finanzhilfe gewährt wird, „wird je nach Einzelfall .... eine Beteiligung des Privatsektors in angemessener und verhältnismäßiger Form erwartet" (Art. 12/2). Nach den jüngsten Beschlüssen gilt auch diese nicht, Privatsektor wird ganz verschont.
Kontrolle und Immunität
ESM unterliegt keinem Nationalrecht (Art. 1 und 27), „ESM, sein Eigentum, seine Finanzmittel und Vermögenswerte genießen ....umfassende gerichtliche Immunität. " (Art. 27/3) „Die Archive des ESM und alle ihm gehörenden oder in seinem Besitz befindlichen Dokumente im Allgemeinen sind unverletzlich " (Art. 27/5). Nur der Ausschuss für die interne Rechnungsprüfung, bestehend aus drei Leuten, hat Zugang zu sämtlichen Dokumenten (Art. 5/7i und 24/3). Die externe Rechnungsprüfung hat Zugang lediglich zu den Geschäftsbüchern, Konten und Transaktionen, überdies wird sie durch den Gouverneurrat gewählt (Art. 5/7j und 25). Mit anderen Worten, Kontrolle gleich Null.
Der ESM ist von allen direkten Steuern befreit (Art. 31/1) und seine Mitarbeiter entrichten nur die Einkommensteuer zugunsten des ESM (Art. 31/5). Die Gouverneursratsmitglieder, stellvertretenden Gouverneursratsmitglieder, Direktoren, stellvertretenden Direktoren, der Geschäftsführende Direktor und alle Mitarbeiter genießen Immunität (Art. 30). Wenn also ein Vertreter sein Mandat überschreitet, das ihm von der Regierung bzw.vom Parlament erteilt wird, geschieht absolut nichts, weil er ja Immunität genießt.
Sowas nennt man absolute Macht. Die Gouverneure und der Geschäftsführende Direktor können tun, was immer sie wollen. Sie können Staaten bis zum letzten Cent ausnehmen, Geld leihen, wem auch immer sie möchten, und sich dafür auch noch nach Belieben belohnen können. Wir werden das nicht einmal erfahren, und wenn zufälligerweise doch, kann dagegen auch niemand was unternehmen. Kontrolle gleich Null, dagegen Immunität von höchstem Rang. Auch das ist der ESM.
Das ist immer noch nicht alles. Der Vertrag sieht vor, dass sich am ESM alle Länder (Art. 8/5 und Anlage Nr. 1), d.h. auch die PIIGS-Länder (Portugal, Irland, Italien, Griechenland und Spanien) beteiligen werden, und rechnet mit ihren Beiträgen. Das ist, natürlich, nicht real, und daher „Leistet ein ESM-Mitglied bei einem Kapitalabruf keine Zahlung“ (Art. 21/2), wird der Kapitalabruf an sonstige Mitglieder gerichtet. Der Anteil Deutschlands wird daher langfristig höher sein, als heute behauptet.
Kein Land in Sicht
Es ist schon sehr erstaunlich, wie sich die Deutschen ausnehmen lassen. Und dabei wird immer wieder das dümmste aller Argumente hervorgebracht – die Exportindustrie. Die Wirklichkeit ist nämlich die, dass ungefähr der Exportüberschuss den neuen Schulden der Südländer entspricht. Deutschland zahlt letztendlich also den eigenen Export mit den Steuergeldern seiner eigener Bevölkerung. Oder es werden auch „historische Gründe aufgeführt. Egal, was das heissen mag, 70 Jahre nach dem Krieg ist das doch ein ziemlich lächerlicher Grund sich ausnehmen zu lassen wie ein Weihnachtsgans.
Und wenn sich einer findet unter den Politikern, der den Verstand und den Mut hat, diesen Schwachsinn beim Namen zu nennen und NEIN zu sagen, zum Beispiel Wolfgang Bosbach oder Frank Schäffler, wird er beleidigt oder zum Nationalisten abgestempelt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen